In diesem Beitrag erklären wir, was der Bologna-Prozess ist, welche Ziele die Reform verfolgt und was die Vor- und Nachteile, sowie die Herausforderungen und Probleme dabei sind.
Bologna-Prozess: Was bedeutet das?
Der Bologna-Prozess bezeichnet die Schaffung eines einheitlichen Hochschulraumes in Europa seit Ende des letzten Jahrtausends. Die ursprüngliche Erklärung gaben im Jahr 1999 die anwesenden 29 Staaten in der italienischen Stadt Bologna ab. Bis heute haben sich insgesamt 49 Staaten angeschlossen.
Die Bologna-Reform beinhaltet einen gemeinsamen, europäischen Kulturraum in Sachen Bildung und die Konzeption eines gemeinsamen Punktesystems (ECTS-Punkte), sowie die Neustrukturierung in Bachelor-, Master- und Doktor-Abschlüsse.
Historisches zum Bologna-Prozess
Bereits 1988 setzten europäische Universitätspräsidenten die sogenannte Magna Charta der Universitäten auf. Sie folgte der Erkenntnis, dass europäische Hochschulen eine besondere Bedeutung für die Kultur des Kontinents tragen. Freie Lehre und Forschung hatten seit dem Mittelalter für geistigen und technischen Fortschritt gesorgt und wurden deshalb in der Charta als besonders bewahrenswertes Gut hervorgehoben. 1998 unterschrieben Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien die Sorbonne-Erklärung. Sie formulierten darin das Ziel, den europäischen Hochschulraum zu harmonisieren.
Da andere Mitgliedsstaaten in der Bedeutung dieses Wortes die Einschränkung ihrer Freiheit befürchteten, wurde 1999 schließlich die Bologna-Erklärung von 29 europäischen Bildungsministern unterzeichnet. Sie betont das Ziel, bei Erhaltung der Freiheit von Lehre und Forschung einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen, der die Mobilität von Studierenden fördert und auf Grundlage dieses Austauschs die europäische Hochschullandschaft international wettbewerbsfähig macht.
Bologna-Reform: Die Ziele
Zwei Hauptziele finden sich in der ursprünglichen Erklärung wieder:
- Das Ideal einer vereinten europäischen Hochschullandschaft und
- Die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Zum ersten der Ziele gehört die Idee der Schaffung eines gemeinsamen Kulturraumes im Sinne eines „Europa des Wissens“.
Dieses Ziel will man insbesondere durch Austausch und Dialog erreichen. Damit viele Studierende sich für einen Austausch an eine andere europäische Universität entscheiden, wurde ein gemeinsames Punktesystem mit dem Ziel der einfachen Vergleichbarkeit von Studiengängen konzipiert.
Zum zweiten Ziel gehört die Steigerung der Effizienz in der universitären Ausbildung. Dazu wurde das Studium in drei Zyklen neu strukturiert: dem Bachelor-, Master- und Doktor-Zyklus. Bereits mit dem Bachelor sollen Absolventen schnell in ein Beschäftigungsverhältnis gelangen können. Außerdem sollen Hochschulen bei der Qualitätssicherung zusammenarbeiten, um gegenseitig von den jeweils gemachten Erfahrungen zu profitieren. Das gilt auch für die Ziele gemeinsam Curricula zu entwickeln und erfolgreiche Lehrmethoden zu teilen.
Nachdem der Bologna-Prozess zwei Jahrzehnte andauert, stellt die Europäische Kommission als Vorteile fest, dass viele der Mitgliedsstaaten bereits mit dem gemeinsamen Punktesystem arbeiten (ECTS-Punkte), um Vergleichbarkeit der Studiengänge zu schaffen und den Transfer zwischen Universitäten zu erleichtern. Weitere Vorteile bieten die Programme, die den Austausch von Studierenden unterstützen.
Bologna-Prozess: Kritik und Herausforderungen
Grundsätzlich kann der noch stete Wandel der europäischen Hochschulreform für aktuell betroffene Studierende und Lehrende Nachteile bringen, denn der Bologna-Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Sämtliche Festlegungen der Bologna-Reform sind deshalb vorläufige Bestandteile des laufenden Diskurses.
Aus den beiden Hauptzielen, die ursprünglich erklärt wurden, ergibt sich bereits die Grundsatzfrage, die seither den Diskurs um die Bologna-Reform bestimmt: Dient die universitäre Bildung vorrangig der Selbstentfaltung oder der Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt?
Die nach angelsächsischem Vorbild etablierte Struktur in Bachelor und Master mit zu sammelnden Punkten kollidiert in einigen EU-Ländern mit der Tradition eines Humboldtschen Bildungsideals, das frei von kontinuierlich zu erbringenden Leistungsnachweisen ist. Die Bologna-Reform steht vor der Herausforderung geeignete Lehrmethoden im Spannungsfeld des lernerzentrierten oder lehrerzentrierten Ansatzes auszuloten. Insbesondere Länder, in denen es neben Universitäten traditionell Fachhochschulen für die Berufsausbildung gibt, müssen hier eine Balance finden.
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Eine weitere Herausforderung ist es, der akademischen Freiheit gerecht zu werden, deren Vermächtnis die Kultur Europas ist. Natürlicherweise wird bei einer Vereinheitlichung von Studienfächern zugunsten der Mobilität ein Stück weit individuelle Freiheit der einzelnen Universität eingeschränkt. Der zu starke Fokus der Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt birgt außerdem Nachteile, wenn andere Institutionen oder der Staat selbst zu stark in die akademische Freiheit eingreifen.
Probleme der Bologna-Reform
Da die Bologna-Erklärung kein Gesetz ist, sondern freiwillige politische Absicht fehlt es noch an klaren Konzepten für die inhaltliche Zusammenarbeit. Bei der genauen Definition für die Bedeutung akademischer Freiheit oder der Erarbeitung gemeinsamer Lehrpläne findet diese bisher zu wenig statt. Aufgrund der Entscheidungen vieler Einzelner vor Ort, entstanden beispielsweise zu sehr verschulte Studiengänge. Studierende leiden unter hohem Leistungsdruck und verlieren Bildung als solche aus den Augen. Lehrende spüren den Druck von Effizienz und Verwertbarkeit sowohl in ihrer Lehr- als auch in ihrer Forschungstätigkeit.
Problematisch ist zudem, dass der Bologna-Prozess von höchster Ebene initiiert wurde und zu Beginn die sozialen und finanziellen Belange der Betroffenen nicht im Blick hatte. Dadurch besteht nach wie vor die Gefahr, dass die Ziele der Bologna-Reform aufgrund fehlender Akzeptanz ins Leere laufen.