Nahezu alle deutschen Hochschulen haben ihre Lehre aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie spätestens zu Beginn des Sommersemesters 2020 komplett auf digitale Formate umgestellt. Zwar hatten viele Hochschulen bereits geplant, ihren Forschungs- und Lehrbetrieb nach und nach um digitale Angebote zu erweitern, nun waren jedoch schnell weitreichende Änderungen umzusetzen. Wie zufrieden die Studierenden damit sind und in welchen Punkten es Verbesserungsbedarf gibt, hat ein Projekt der Universität Hohenheim nun etwas genauer beleuchtet.
Studierende sind eine besonders digitalaffine Personengruppe, jedoch stellt sich hier die Frage, wie gut digitale Lehrformate funktionieren und wo bei diesen möglicherweise Schwierigkeiten auftreten. Des Weiteren ist es von Bedeutung, ob bestimmte Fachbereiche an den Fachhochschulen und Universitäten die neuen digitalen Formate besser umsetzen können als andere, da beispielsweise die Digitalisierung in manchen Fachrichtungen weiter vorangeschritten ist als in anderen.
Digitaler Unterricht: Ein Forschungsprojekt der Universität Hohenheim
Diese Fragen sind für den Lern-, Forschungs- und letztlich auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland von großer Bedeutung, da die digitale Transformation alle Bereiche der Wirtschaft, Lehre und Forschung umfasst. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik hängt somit mittel- und langfristig auch stark vom Erfolg der Digitalisierung in allen Lebensbereichen ab.
An der Universität Hohenheim werden genau diese Fragen genauer wissenschaftlich untersucht. Am Lehrstuhl für Marketing und Business Development führten zehn Studierende unter Leitung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Dr. Iris Pöschl und Joana Roth dazu im Dezember 2020 eine Online-Befragung durch. Hierzu wurde ein Fragebogen zum Thema „digitaler Unterricht“ entwickelt, den die Studierenden und Mitarbeiterinnen der Universität Hohenheim anschließend via E-Mail und Social-Media-Kanäle an potentielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sendeten.
Die meisten davon waren zu diesem Zeitpunkt in einem Bachelor-Studiengang eingeschrieben und studierten an einer Universität oder Fachhochschule. Etwa 20 Prozent der Befragten waren hingegen an einer technischen, pädagogischen oder theologischen Hochschule eingeschrieben. Die etwa 1.800 vollständig ausgefüllten Fragebögen wurden abschließend mit einer Statistik- und Analysesoftware ausgewertet.
Uni Hohenheim: Online-Befragung zu digitalem Unterricht
Als Expertin im Bereich Marketing nutzte Frau Dr. Pöschl ein in der Praxis bereits erfolgreich genutztes Verfahren zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit. Dieses wurde anschließend auf die Belange von Studierenden angepasst, um ihre Zufriedenheit mit den digitalen Lehrformaten zu messen. Ähnlich wie bei der Messung der Zufriedenheit mit einem Unternehmen möchte die Wissenschaftlerin der Universität Hohenheim ermitteln, wie digitaler Unterricht in den Bereichen:
- Rahmenbedingungen
- Erreichbarkeit
- Zuverlässigkeit
- Empathie und
- Leistungskompetenz
wahrgenommen wird. Die ermittelten Werte werden mit den Erwartungen der Studierenden abgeglichen. Je geringer die Differenz zwischen Erwartungshaltung und tatsächlich wahrgenommener Leistung, desto höher die Zufriedenheit.
Ein weiteres Ziel des Forschungsprojekts ist der Vergleich zwischen unterschiedlichen Fakultäten an Universitäten und Hochschulen: So könne es laut Betriebswirt Prof. Dr. Markus Voeth, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Business Development der Universität Hohenheim, hinsichtlich der Digitalisierung deutliche Unterschiede zwischen den Fachbereichen geben, die es nun zu bewerten gilt.
Studieren während der Pandemie: Verbesserungsbedarf bei weichen Faktoren
Der Großteil der Studierenden zeigt sich mit den sogenannten „harten Faktoren“, also technologischer Ausstattung und Qualität im Großen und Ganzen eher zufrieden. Jedoch zeigt die Untersuchung der Universität Hohenheim: Es gibt Unterschiede zwischen den Fachbereichen, so sind Wirtschafts- und Agrarwissenschaftler mit der vorhandenen Technik deutlich zufriedener als Geisteswissenschaftler. Verbesserungspotenzial wird fachübergreifend im Hinblick auf die Bild- und Tonqualität von live-übertragenen Lehrveranstaltungen gesehen.
Auch im Bereich der Interaktion zwischen Lehrpersonal und Studierenden gibt es aus Sicht einiger Studierender Defizite, wobei diese mithilfe von Abstimmungstools insbesondere im Bereich der Ingenieurs-, Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften bereits gut funktioniert.
Digitaler Unterricht funktioniert insgesamt recht gut, es gibt jedoch auch Kritik vonseiten der Studierenden: So werden manche Angebote als wenig studierendenfreundlich wahrgenommen, und auch die Erreichbarkeit der Dozierenden wird von Studierenden aller Fachbereiche bemängelt. Die Kommunikation erfolgt nach wie vor meist über klassische Mittel wie E-Mail und Telefon, seltener werden Online-Messenger-Dienste für Absprachen zwischen Studierendenschaft und Lehrpersonal genutzt. Frau Dr. Pöschl sagt hierzu, dass diese Kommunikationskanäle im Zuge der Digitalisierung dringend ausgebaut werden müssen, um einen direkten Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden zu ermöglichen.
Darüber hinaus wird von vielen Studierenden die Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit von Ankündigungen kritisiert. Die Fragebögen der Universität Hohenheim zeigen jedoch, dass Unterlagen im geisteswissenschaftlichen Bereich überdurchschnittlich pünktlich bereitgestellt werden.
Viele Studierende geben darüber hinaus an, dass Empathie und regelmäßige Pausen wichtig für sie sind. Außerdem wurde in den Fragebögen häufig angegeben, dass die Motivation des Lehrpersonals ausbaufähig sei. Auch hier zeigen die Marketing-Experten der Universität Hohenheim auf, dass es in manchen Fachbereichen besser läuft als in anderen: So seien die Lehrenden in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften ganz besonders motiviert.